Warum wirken Pflegekräfte manchmal distanziert?
Pflegebedürftige und deren Angehörige empfinden es manchmal als befremdlich, wenn Pflegekräfte einerseits liebevoll und engagiert arbeiten, andererseits aber der Eindruck entsteht, dass sie keine stärkere zwischenmenschliche Bindung zulassen.
Pflegekräfte sind oft die engsten Bezugspersonen und verbringen in einigen Fällen mehr Zeit mit den Patienten oder Kunden als deren eigene Familienangehörige.
Warum also bleibt diese professionelle Distanz bestehen? Warum entsteht scheinbar keine Vertrautheit
Mit unserem heutigen Beitrag möchten wir den Weg zu einem besseren Verständnis für die Bedeutung professioneller Abgrenzung in der Pflege bereiten. Wir zeigen auf, warum eine bewusste Distanz für die mentale Gesundheit vieler Pflegekräfte sowie die damit verbundene Qualität der Versorgung unerlässlich ist und welche Strategien helfen, emotional belastende Situationen gesund zu bewältigen.
Pflege hat viele Gesichter – und auch individuelle Herangehensweisen. Während die einen wertschätzend Distanz wahren, setzen andere auf eine engere, fast familiäre Bindung. In den sozialen Netzwerken sind in den letzten Jahren immer mehr Accounts vertreten, die das Thema Pflege thematisieren und einen Blick hinter die Kulissen zulassen. In einigen Fällen vermitteln sie ein Bild von einem engen, freundschaftlichen Verhältnis zwischen Pflegekraft und Kunden.
Ein bekanntes Beispiel dafür sind Oma Lotti und ihr Pfleger Rashid. Er teilt regelmäßig Momente aus dem Pflegealltag mit unterschiedlichen Kunden. Seine Beiträge zeigen verschiedene Facetten der Pflege. Die Kanäle des Pflege-Influencers und Gründers eines Hamburger Pflegedienstes erreichen Millionen Menschen. In den letzten knapp zwei Jahren, bis zu ihrem Tod mit 93 Jahren, war die hochbetagte Lotti zu einem Social-Media-Liebling avanciert.
Die Öffentlichkeit nahm Anteil an der Freundschaft zwischen Pfleger und Kundin. Nach dem Tod der Seniorin teilten viele Menschen den Verlust und die Trauer von Rashid Hamid. Unzählige Berichte und Beileidsbekundungen verbreiteten sich im Internet und in der Presse. Viele bewerten die Verbindung als sympathisch und authentisch. Doch diese Art der Beziehung ist nicht für jedes Pflegeverhältnis geeignet und sie entspricht auch nicht in jedem Fall der etablierten Vorgehensweise in der Pflege.
Für manche kann eine enge, freundschaftliche Bindung eine Form der Abgrenzung sein, während andere eine klare Distanz benötigen, um sich emotional zu schützen. Jeder geht damit unterschiedlich um – entscheidend ist, dass Pflegekräfte den Weg finden, der für sie mental stimmig ist und gleichzeitig eine professionelle Versorgung sichert.
Viele Pflegende brauchen eine klare Abgrenzung zur eigenen mentalen Entlastung, insbesondere in der Intensiv- und Palliativpflege, wo der Umgang mit Verlust und Trauer zum Berufsalltag gehört. Die enge Begleitung eines Patienten oder Kunden bis zum Lebensende ist eine große emotionale Herausforderung, weshalb die meisten Pflegekräfte bewusst auf eine professionelle Distanz setzen, um langfristig gesund und handlungsfähig zu bleiben.

Zwischen Fürsorge und mentaler Prävention: Nähe mit Fingerspitzengefühl
Pflege ist nicht nur körperlich, sondern auch psychisch fordernd. Besonders in der Intensiv- und Palliativpflege ist der Umgang mit schwerer Krankheit und Sterben allgegenwärtig. Pflegekräfte erleben täglich, dass ihre Arbeit nicht immer zu einer Genesung führt. In der Palliativpflege ist der Tod unausweichlich und in der Intensivpflege sind es oft schwere Krankheitsverläufe, mit denen Pflegekräfte konfrontiert sind. Eine klare Abgrenzung hilft, diese Belastungen nicht mit nach Hause zu nehmen, denn emotionale Nähe kann zur mentalen Belastung und den daraus resultierenden Einschränkungen im Pflegealltag führen.
Pflegekräfte müssen auch in schwierigen Situationen handlungsfähig bleiben, ohne durch die damit zusammenhängende seelische Erschöpfung beeinträchtigt zu werden. Wer emotional dauerhaft über seine eigenen Grenzen hinaus geht, riskiert nicht nur eine psychische Erschöpfung, sondern auch eine dadurch bedingte Einschränkung der eigenen Belastbarkeit, was sich letztlich auf die Qualität der Pflege auswirken kann. Eine bewusste Abgrenzung ist daher nicht nur eine Frage der Professionalität, sondern auch ein wesentlicher Schutzmechanismus, um langfristig arbeitsfähig zu bleiben.
Darüber hinaus gilt es die Wünsche der Kunden oder Patienten zu respektieren. Nicht jeder wünscht sich eine enge, persönliche Bindung zu den Pflegenden. Die Konfrontation mit der eigenen Hilfsbedürftigkeit aufgrund einer schweren Erkrankung fällt vielen schwer und nicht jeder kann Unterstützung problemlos annehmen. Besonders intime Pflegevorgänge wie der Toilettengang oder das Waschen können für die Betroffenen mit Scham oder Unbehagen verbunden sein. In solchen Momenten kann eine gewisse professionelle Distanz helfen, die Situation für den Patienten weniger unangenehm zu machen.
Werkzeuge für den Pflegealltag: Strategien für mentale Stabilität
Ein wichtiger Baustein professioneller Distanz ist die Art der Kommunikation. Dazu gehört auch die Entscheidung, ob Patienten oder Kunden geduzt oder gesiezt werden.
Duzen oder Siezen? Während in sozialen Medien oft eine familiäre Sprache verwendet wird, ist das professionelle Siezen in vielen Pflegeeinrichtungen Standard. Es schafft eine wertschätzende Distanz und unterstreicht die professionelle Rolle der Pflegekraft.
Aktives Zuhören ermöglicht es, einfühlsame Gespräche zu führen und Trost zu spenden, ohne sich emotional zu stark einzubinden. Durch Signale wie ein Lächeln, zustimmendes Nicken oder verständnisvolle kurze Kommentare fühlt sich der Gesprächspartner wahrgenommen und wertgeschätzt. Gleichzeitig hilft die achtsame Konzentration auf das Gesagte, eine professionelle Distanz zu wahren und eine Balance zwischen Mitgefühl und notwendiger Abgrenzung herzustellen.
Im Umgang mit schwierigen Angehörigen ist eine professionelle Kommunikation wichtig. Vielen Menschen fällt es schwer zu akzeptieren, dass Pflegekräfte nicht jederzeit für Gespräche oder Pflegetätigkeiten zur Verfügung stehen. Eine klare und wertschätzende Kommunikation trägt dazu bei, Missverständnisse zu vermeiden und zugleich die notwendige Abgrenzung zu wahren.
Jede Pflegekraft kann darüber hinaus selbst aktiv werden: Selbstfürsorge ist das A und O für jede und jeden Einzelnen. Das aktive Bemühen, für die eigene Gesundheit und das Wohlbefinden zu sorgen, ist für jeden Menschen wichtig.
Mentale Techniken wie Achtsamkeit, Meditation und bewusste Rituale helfen, emotionale Belastungen zu verarbeiten. Der regelmäßige Austausch in Supervisionen und Teamgesprächen bietet die Möglichkeit, Erlebtes zu reflektieren und Unterstützung zu finden. Wichtig sind auch bewusste Pausen und eine ausgleichende Freizeitgestaltung, um Abstand zur Arbeit zu gewinnen und Kraft zu schöpfen.

Gesunde Strukturen im Arbeitsalltag: Fürsorgepflicht der Arbeitgeber
Professionelle Abgrenzung ist nicht nur die Verantwortung der Pflegekräfte selbst. Arbeitgeber übernehmen eine entscheidende Rolle. Sie sind dafür verantwortlich, Strukturen zu schaffen, die es ihren Mitarbeitenden ermöglichen, mental und körperlich gesund zu bleiben.
Wir setzen auf nachhaltige Prävention, denn das Wohlbefinden unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter liegt uns am Herzen. Neben der Möglichkeit einer regelmäßigen Supervision bieten wir Fallbesprechungen zur Verarbeitung herausfordernder Erlebnisse an. Im Rahmen des Betrieblichen Gesundheitsmanagements profitieren unsere Mitarbeitenden von Angeboten der Krankenkasse und können eine gründliche arbeitsmedizinische Vorsorge in Anspruch nehmen.
Bei der Gestaltung des Dienstplans berücksichtigen wir private Belange und achten auf Erholungsphasen. Eine offene Kommunikation und ein wertschätzendes Umgang helfen uns dabei, die Bedürfnisse und Herausforderungen der Mitarbeiter besser zu verstehen. Ergänzend bieten wir gezielte Weiterbildungsmaßnahmen an, um die fachliche und persönliche Entwicklung zu fördern.
Fazit: Pflege erfordert das richtige Maß
In der Pflege gibt es verschiedene Ansätze und individuelle Wege im Umgang mit Nähe und Distanz. Wichtig ist es, dass diese für alle Beteiligten stimmig und umsetzbar sind. Abgrenzung bedeutet nicht zwangsläufig Distanziertheit oder gar das Fehlen von Mitgefühl. Vielmehr schafft sie den Rahmen, in dem liebevolle, wertschätzende und ganzheitliche Pflege stattfinden kann – mit Empathie, Respekt und Fürsorge.
Auch Pflegekräfte, die duzen oder eine enge Bindung zu ihren Patienten oder Kunden pflegen, können emotionale Distanz wahren, wenn sie sich ihrer eigenen Belastungsgrenze bewusst sind und diese aktiv schützen.
In der Pflege spielt eine bewusste Abgrenzung eine wichtige Rolle. Sie hilft, die psychische Gesundheit der Pflegekräfte zu schützen und gleichzeitig eine konstante Pflegequalität sicherzustellen. Pflegende begleiten ihre Patienten oder Kunden mit viel Engagement und Leidenschaft, müssen aber auch darauf achten, ihre eigene mentale Stabilität zu bewahren.
Als Arbeitgeber unterstützen wir unsere Mitarbeiter – sei es durch eine durchdachte Dienstplangestaltung, Supervision oder Weiterbildungsangebote. Am Ende profitieren alle davon: unser Team, Angehörige und natürlich die Pflegebedürftigen, die bestmöglich versorgt werden. Denn: Wir leben für Ihr Leben!

Wie empfinden Sie den Umgang mit Nähe und Distanz in der Pflege? Schreiben Sie uns Ihre Gedanken in den Kommentar – wir sind gespannt auf Ihre Erfahrungen!